Montag, 15. Februar 2021

Eine Fadenkreuzspinne auf Abwegen

Zur Erbauung in der ereignisarmen Corona-Pandemie-Zeit hier eine tatsächliche Geschichte, die schon etwas zurückliegt, aber eigentlich zeitlos ist. 

Anfang September 2019 beobachteten Wolfgang und ich Saturn und Jupiter am Astrophysics Starfire EDF Teleskop mit der damals neuen Mallincam-Kamera mittels Okularprojektion* durch das 10-mm-Okular. Im Livebild sahen wir störende seltsame dunkle Flecken und Linien, die wohl von Staub auf der Sensorabdeckung stammen würden, glaubte ich. Saturn und Jupiter standen 2019 ja sehr tief am Südhimmel und zusätzlich störte eine heftige Luftunruhe die Bilder so stark, dass wir an diesem Abend gar keine Aufnahmen machten. Ein paar Tage später untersuchte ich die Sensorfront der Kamera mit einer Lupe, fand aber keinen Schmutz auf der Sensorabdeckung. Das Tage zuvor verwendete Okular inspizierte ich dann auch noch. Bei einem bestimmten Lichteinfall glaubte ich, in der Öffnung im Okular etwas glänzen zu sehen. Das wollte ich mir zuhause bei optimierter Beleuchtung genauer anschauen und möglichst auch fotografieren.

Blick von unten in das Okular

Ausschnitt, mit verstärktem Kontrast

Ja, da waren tatsächlich ein paar hauchdünne Fädchen zu sehen. Das Okular ließ sich einfach zerlegen; im abgeschraubten Oberteil ist die Optik, und das Unterteil besteht nur aus der Hülse und einer Blende.

Zerlegtes 10-mm-Okular

Die Öffnung der Blende im Unterteil fotografierte ich mittels Dunkelfeldbeleuchtung. Dazu muss man dafür sorgen, dass der Hintergrund möglichst schwarz ist (gerade passend großes Scheibchen aus z. B. schwarzer Pappe) und eine Lichtquelle ringsum von schräg hinter dem schwarzen Scheibchen das Objekt im Gegenlicht beleuchtet. 

Blick durch die Blende im
Gegenlicht mit dunklem Hintergrund



Das sind ja Spinnweben!!! Da hatte sich offensichtlich eine Spinne in unserem Okular häuslich eingerichtet. Die Spinne selbst war leider nicht mehr zu entdecken.

Bei nächster Gelegenheit baute ich an der Sternwarte die ursprüngliche Aufnahmeanordnung mit Kamera und Okularprojektion noch mal auf und fotografierte mit neutralem Hintergrund.

Testbild der Okularprojektion, passt zu dem
gespiegelten und gedrehten Vergleichsbild von oben
 

Die Spinnweben zu entfernen war dann natürlich kein Problem mehr. 

Früher benutzten manche Astronomen tatsächlich Spinnwebfäden als Fadenkreuz in ihren Okularen. Unsere Spinne war da aber selbstständig, ohne Planung, etwas zu eifrig und gar zu wild in ihrem Tun. 

Siehe dazu auch:
Rolf Riekher, Fernrohre und Ihre Meister, Berlin 1990, 2. Aufl., S. 174f, 
Daniel Fischer, „Fadenkreuzspinnen“ in Sterne und Weltraum, Jahrgang 28 (1989), Nr 12, S. 742f und https://www.spektrum.de/quiz/wozu-hielten-sich-astronomen-einst-spinnen/622060 

Peter Bentz, 13.02.2021

* Okularprojektion ist ein Verfahren zur starken optischen Vergrößerung beim Fotografieren eines kleinen Objektes (z.B. eines Planeten), bei dem das Bild im primären Fokus durch ein Okular noch weiter vergrößert auf dem Sensor oder Film einer Kamera abgebildet wird. In unserem Fall war das Spinnennetz wohl zufällig sehr nahe an der primären Fokusebene.